Wieder einer weniger. Nach Günter Grass, Siegfried Lenz oder vor kurzem Umberto Eco jetzt also Lars Gustafsson. Eine Stimme weniger im literarischen Weltenklang-Orchester, ein schwedisches Instrument diesmal, ein ganz besonderer Schriftsteller, dessen bekannteste Zeiten wohl in den 70er und 80er Jahre lagen. Mir hat nicht alles von ihm gefallen, aber vieles. Sein schmaler Roman „Wollsachen“ zum Beispiel, 1973 im Original erschienen, 1977 als Taschenbuch im dtv-Verlag gedruckt, damals noch mit den herrlichen Coverillustrationen Celestino Piattis. Ich habe dieses Buch geliebt und ließ mich gern fallen in seine Beschreibungen – etwa der Hölle als kalten, eiskalten Ort:
„Im Hades riecht es nach nasser Wolle! (…) Nach nassen, ekligen Wollsachen an einer halbverfaulten Wäscheleine, die den halben Herbst über draußen gehangen haben (und die Wäscheklammern sind schon grau, nein, silbrig geworden).“
Lars Gustafsson war ein großer Sprachjongleur, aber er spielte auch mit den Formen: Seine Texte schrieb er oft fragmentarisch, märchenhaft, verklausuliert oder verzauberte sie durch verschachtele Erzählstrukturen. Nein, nicht alles von ihm gefiel mir, aber irgendwie mochte ich den Mann. Auch seine poetologischen Überlegungen faszinierten mich. In der Erläuterung zu seinem Gedicht „Die Maschinen“ schrieb er beispielsweise:
„Die ältesten mechanischen Vorrichtungen, von denen die Literatur sich Bilder ausgeliehen hat, sind vermutlich der Webstuhl und die Mühle.“
Ich hatte darüber noch nie nachgedacht, suchte aber infolge dieser Lektüre tagelang nach anderen, früheren Metaphern aus dem technischen Bereich. Und fand doch keine.
Schließlich: seine Lyrik. Verse wie „Die Stille der Welt vor Bach“, wieder aus einem dtv-Bändchen zitiert, wieder von Piatti beumschlagt, diesmal aber unter Verwendung einer Collage von Gustafsson selbst:
„Es muß eine Welt gegeben haben vor
der Triosonate in D, eine Welt vor der a-moll-Partita,
aber was war das für eine Welt?
Ein Europa der großen leeren Räume ohne Widerhall,
voll von unwissenden Instrumenten,
wo das ›Musikalische Opfer‹ und das ›Wohltemperierte Klavier‹
noch über keine Klaviatur gegangen waren.
(…)
und nirgends Bach, nirgends Bach.
Die Schlittschuhstille der Welt vor Bach.“
Jeder Schriftsteller hinterlässt eine solche Stille. Seine Stimme verstummt.
Mach’s gut, Lars Gustafsson, nicht in dem nach Wollsachen stinkenden Hades, sondern im himbeerduftenden Himmel.

Metaphern aus dem technischen Bereich für das tägliche Schreiben? Da empfehle ich ganz klar die so genannte Dampflok, den ebenfalls ausgedienten Fernschreiber oder wahlweise die Telefonzelle. Gerne auch der Kraftwagen oder die aus meinem ureigensten wissenschaftlichen Feld stammende „Wachswalze“. Freue mich, von dir zu hören, LG Volker
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Hi Volker,
ja, Dampflok, Wachswalze und Grammophon. Aber Gustafsson sprach ja von den „ältesten mechanischen Vorrichtungen“, und da habe ich tatsächlich nichts älteres gefunden als Mühle und Webstuhl. Liebe Grüße und endlich Frühling wünschend!
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