Literaturwettbewerbe: Tipps & Tücken

Wettbewerbe sind ein sehr interessantes Werkzeug für jede Autorin, für jeden Autor. Damit meine ich jetzt nicht einmal die Möglichkeit, Geld oder einen Verlagsvertrag zu ergattern, also die Schriftstellerkarriere voranzutreiben. Nein, ich meine damit, dass Wettbewerbe als reine Schreibwerkzeuge nützlich sein können: Denn sie helfen dabei, sich zu fokussieren. Drei Punkte scheinen mir in dieser Hinsicht wichtig:

  1. Der Zeitdruck. Ich habe hier schon einmal darauf hingewiesen, wie wichtig eine Deadline ist: Ohne Abgabetermin tendiert der/die Schreibende dazu, den Text immer wieder zu ändern, endlos zu korrigieren und ihn im Extremfall nie zu vollenden. Der Einsendeschluss bei Wettbewerben macht dieses Hinauszögern unmöglich.
  2. Die Form. Zwar existieren auch Literaturwettbewerbe, die der Königsdisziplin des Romans gewidmet sind, die überwiegende Mehrheit aber möchte Kurzgeschichten prämieren. Für Schreibende ein wunderbares Experimentierfeld, ein sinnvolles Ausprobieren der eigenen Sprache in kleinerer Form. Wer sich von seinem Romanprojekt gar nicht trennen mag, der wähle eine Szene aus und bearbeite sie als eigenständigen Text.
  3. Das Thema: Fast immer stehen Literaturwettbewerbe unter einem bestimmten Motto, behandeln ein mehr oder weniger genau umrissenes Thema. Diese Aufforderung von Außen macht nicht nur an sich einen besonderen Reiz aus, sondern verbessert fast automatisch unsere Fähigkeiten im Schreiben: Dadurch, dass ich nicht über etwas „in mir“ (oder „aus mir“) schreibe, konzentriere ich mich viel stärker auf Stil und Sprache, auf Plot und Struktur. Es ist immer noch meine Geschichte, meine Gefühlswelt, natürlich – aber durch die Aufgabenstellung wird ein distanzierterer Blick möglich.

Zusammengefasst: Literaturwettbewerbe sind wunderbare Möglichkeiten.

Aber.

Auf die Tücken im Beitragstitel möchte ich jetzt eingehen und eine Warnung aussprechen: Seid sehr vorsichtig mit Literaturpreisen, die ein Wettlesen der Finalisten beinhalten.
Viele von Euch werden den Bachmann-Wettbewerb kennen, den einzigen medienwirksamen Literaturtripp im Fernsehne überhaupt. Dort werden die lesenden AutorInnen oft mit hässlichster Leidenschaft abgekanzelt und fertiggemacht. Ich kenne einen Autor, der sich dieser Tortur unterzog, die vernichtenden Kritiken aber nie wirklich verwunden hat. Was für den Bachmann-Wettbewerb gilt, ist leider auch kleineren Wettbewerben nicht ganz fremd. Ich selbst hatte das fragliche Glück, in der Finalistenrunde zweier solcher Veranstaltungen zu landen.

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2003 beim Literaturpreis des MDR in Leipzig: eine große Show, saalfüllende Zuschauermengen, schöne Musik, fast vier Stunden Liveübertragung im Radio, ein sehr freundlicher Moderator und – eine Handvoll AutorInnen. Leider gab es da auch einen literarischen „Berater“, der nach jeder Lesung zu seiner Meinung befragt wurde. Die er dann auch unverblühmt kund tat. Wessen Text ihm nicht gefiel – wie meiner zum Beispiel – den haute er vor laufenden Mikros in die Pfanne. Und beeinflusste damit überhaupt nicht das Publikum. Natürlich nicht! Aus dem prinzipiell wunderbaren Erlebnis wurde so ein ziemlich deprimierendes.

Ähnlich erging’s mir 2008 beim damals ersten Literaturwettbewerb auf Schloss Wartholz. Da lasen wir 18 Finalisten sogar mehrere Tage, zwar vor einem kleineren Publikum, dafür einer größeren Jury. Gleich vier LiterturpäpstInnen lobten oder krittelten nach der jeweiligen Lesung. Leider war diese Jury (sehr intelligent, aber eben auch versnobt intellektuell) nur auf eine Spielart von Literatur fixiert: auf rein virtuose, künstl(er)ich konstruierte und möglichst paranthesen-gesättigte Sprachtexte. Eine klassische Shortstory hatte insofern und aus Prinzip keine Chance: Sämtliche Hemingways und Simon Segurs fielen durch. Wahrscheinlich schau ich (rechts außen, da wieder mit sehr viel längeren Haaren) deshalb auch so verkniffen …

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Was ich damit sagen will? Überlegt es Euch gut, wenn Ihr bei solchen Veranstaltungen mitmachen wollt – und damit meine ich nicht nur die besonders Zurückhaltenden und Sensiblen unter uns. Denn: Wer nicht eine kompetente Rampensau ist und Kritik so locker wegsteckt wie einen lauen Windhauch an der Wange, der wird ziemlich zu knappsen haben. Natürlich will ich niemanden davon abhalten sein Glück zu versuchen – immerhin geht es meistens um viel Geld; und das Event an sich macht schon sehr viel Spaß. Ich möchte nur, dass jedem bewusst ist, worauf er oder sie sich da einlässt. Ich jedenfalls nehme seit diesen Erfahrungen eigentlich nur noch bei Literaturwettbewerben teil, die ohne Wettlesen und Gerichtshof auskommen. Einen solchen Preis gewinnt man oder eben nicht, wird gegebenenfalls eingeladen, bekommt Urkunde und Scheck, hält vielleicht noch eine Dankesrede, liest seinen Text – und fertig. Alles andere ist mir mittlerweile zu nervenaufreibend.

Zum Schluss noch ein paar Tipps zum Thema Literaturwettbewerbe, die Eure Erfolgsaussichten bei selbigen erhöhen mögen:

  1. Haltet Euch an die vorgegebene Zeichenzahl. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht: Mehrere Veranstalter, mit denen ich mich unterhielt, bestätigten: Ein Viertel der Einsendungen sind länger oder kürzer als gewünscht. Man kann damit sogar Glück haben – aber herausfordern würde ich eben dieses Glück nicht (das braucht man schon fürs Gewinnen). Im Gegenteil: Nehmt die Anpassung Eures Textes an eine bestimmte Länge abermals als Training der eigenen Schreibfähigkeiten.
  2. Informiert Euch über die Jury. Sitzen da intellektuelle Kritiker oder Fantasyautoren? Literaturwissenschaftler oder Verlagsmenschen (wenn ja, von welchem und was publiziert dieser Verlag)? Damit zusammen hängt:
  3. Studiert die Ausschreibung genau und googelt die bisherigen Preisträger. Fast immer gibt es dazu Infos, oft werden die bis dato prämierten Geschichten auch im Internet bereitgestellt. Achtet darauf, ob dort Sprache und Stil im Vordergrund stehen oder der knackige Plot. Haben die Siegertexte alle Humor? Oder sind sie sozialkritisch-moralisch? Lassen sich klare Hinweise erkennen, dann schreibt Eure Story dementsprechend. Nutzt dieses Wissen schamlos aus, ohne Euch freilich dabei zu verbiegen. Ich kann eine witzige Science-Fiction-Story ebenso schreiben wie eine depremierende Sozialstudie – warum nicht? Nehmt all das als Übung, als Training, als handwerkliche Arbeit.
  4. Bei Absagen: Löscht nicht trauernd die abgelehnten Manuskripte, sondern schickt sie bei neuen Ausschreibungen wieder ein: verbessert, überarbeitet, leicht dem neuen Thema angepasst. Wenn das nicht geht, schreibt etwas Neues. So bekommt Ihr im Laufe der Zeit einen Fundus an Storys, die für fast jeden Wettbewerb passen. Und irgendwann klappt’s dann schon.

In diesem Sinne: Schreibt, gehet hin und sieget!

 

 

8 Gedanken zu “Literaturwettbewerbe: Tipps & Tücken

  1. Tolle Tipps, vielen Dank dafür. Mit einer eigenen kreativen Leistung (und das ist es schon, wenn man eine Geschichte überhaupt vollendet, finde ich) an die Öffentlichkeit zu gehen, ist eh schon ein großer Schritt. Diese dann aber noch vor Publikum kritisieren zu lassen…. uff, nichts für mich.

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    1. Bitte, bitte. Bei diesen Wettlesungen bin ich damals etwas arg blauäugig reingegangen – ich hatte doch eine freundlichere Atmosphäre erwartet. Andererseits ist es schon wichtig, dass man mit der eigenen kreativen Leistung, wie Du so schön sagst, auch mal vor einem Publikum steht. Das (Vor-)Lesen an sich macht mir mittlerweile wahnsinnig viel Spaß!
      Liebe Grüße!

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  2. Danke für die Tipps! Ich sehe Teilnahmen an Literaturwettbewerben, Ausschreibungen für Literaturzeitschriften viel als Übung, um sich auszuprobieren, zu sehen, ob man mit seinen Texten überhaupt Interesse erzeugen kann. Und eine Deadline und ein vorgegebenes Thema kann manchmal Wunder wirken. Wenn man sich einmal fokussieren muss, kommen oft ganz spannende Sachen heraus. Man sollte das Ganze allerdings sportlich sehen und darf nicht zu viel erwarten. Und Hut ab! Zu solchen Öffentlichen Lesewettkämpfen muss man erst einmal eingeladen werden!

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    1. Ja, stimmt schon: Man muss es erstmal dahin schaffen. Andererseits: Über Jahre habe ich bei jedem nur möglichen Wettbewerb mitgemacht – dann ist die Wahrscheinlichkeit schon hoch, dass es irgendwann mal klappt 🙂 Jedenfalls hast Du eine ähnliche Einstellung dazu wie ich: Einen Wettbewerb als Übung und Training nehmen. Deshalb habe ich diesen Text auch unter „Werkzeuge für Autoren“ eingestellt 🙂
      Ich wünsche jedenfalls viel Erfolg!

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  3. Sehr gute Argumente! Die letzte Absage, die ich zur Teilnahme eines solchen Wettbewerbes bekam, begann mit folgenden Worten: „Ein Literaturwettbewerb ist immer subjektiv …“ Äh, ja. Inzwischen nehme ich nur noch aus Freude an Deinen genannten Punkten teil, allerdings deutlich weniger oft. Ich mag es einfach, nach Themen zu schreiben, mag Formvorgaben und liebe Kurzgeschichten. Im besten Fall ist es eine gute Fingerübung 😉
    Mit der Jury gebe ich Dir auf jeden Fall recht! Sitzt da ein mainstreammögender Verlagsmensch, habe ich schon keine Lust mehr. Oft riecht das alles sehr nach Kommerz. Und diese selbstgefälligen Kritiker, von denen Du sprichst … Puhhh. Was unterscheidet den eigentlich vom gemeinen Leser? Und ist der nicht unser wahrer Kritiker, oder sollte es sein? Lesen ist auch Unterhaltung. Klar, Schreiben ist auch Kunst, doch sobald man es zur hohen Kunst ernennt und nur noch pseudointellektuelles Zeug schwurbelt, ist das doch sehr fragwürdig. Da geht es meist nur darum, sein eigenes Ego zu streicheln.
    Ach, sind wir heute wieder rebellisch 🙂
    Liebe Grüße, Julia

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