Ein großartiges Werkzeug für AutorInnen: Google Earth

In der dunklen, medienbeschränkten Vergangenheit war für einen Schriftsteller die Recherche wesentlich schwieriger als heute: In arbeitsreichen Stunden durchforschte er Institute und Bibliotheken, kopierte Landkarten und Lexika oder suchte Experten, die ihm weiterhalfen. Heute liefert die unendliche Welt des Internets Antworten in einem Bruchteil der Zeit.

In jener dunklen, computerlosen Zeit war für einen Schriftsteller die Recherche aber auch wesentlich einfacher als heute: Denn kaum ein Leser machte sich die Mühe, die Behauptungen des Autors zu überprüfen. Heutzutage würde man etwa einem Karl May die diversen Wikipedia-Artikel nur so um die Ohren hauen oder in amazon-Rezensionen seinen Wilden Westen höhnisch als schlecht recherchiert bloßstellen.

Es ist, wie es ist. Drum nutzen wir die Vorteile der neuen, schönen Technikzeit. Ein besonders hilfreiches Werkzeug für AutorInnen aus diesem Bereich möchte ich heute kurz vorstellen: Google Earth.

Man mag ja über die Monopol-Stellung dieser Firma denken wie man will – viele der Applikationen sind ziemlich beeindruckend. Mein Favorit ist eben jenes Google Earth, nutze ich es doch regelmäßig, wenn sich meine Figuren auf mir fremdem geografischen Terrain bewegen.
Wer das Programm noch nicht kennen sollte: Es erfasst Satellitenbilder und fügt sie zu einem virtuellen Globus zusammen. Von weitem sieht das dann so aus:

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alle Bildrechte: Google Earth

 

Per Mausrad zoomt man tiefer hinein, beispielsweise Richtung Europa:

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Anhand eines meiner Jugendbücher, dem historischen Roman Pilgerweg durch die Hölle, möchte ich die Vielseitigkeit dieses Werkzeugs für jede Autorin, für jeden Autor von belletristischen Texten ein wenig ausführen. Besagtes im Mittelalter spielende Buch beginnt im südfranzösischen Toulouse. Um den schriftstellerischen Nutzen von Google Earth zu demonstrieren, nähern wir uns beispielhaft dieser Stadt – dafür genügt die Eingabe des gesuchten Ortes oben links in der Menüleiste. Den „Anflug“ auf das gewählte Objekt kann man unterbrechen – beamen wir uns stückweise an die Erdoberfläche heran, bis zwischen Mittelmeer und Atlantik der Gebirgszug der Pyrenäen erkennbar wird …

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… und abermals tiefer, bis man Toulouse erahnen kann, durchschnitten vom Flusslauf der Garonne:

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Ein weiteres Drehen am Mausrad und wir schweben über der Stadt. Deutlich erkennt man die alten Grenzmauern und Kanäle – ich habe einen gelben Kreis darum gezogen. So lässt sich bereits mit einem Blick feststellen, wie groß die Stadt im Mittelalter wohl gewesen sein mag:

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Noch ein bisschen tiefer sieht das so aus:

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Ganz oben am Rand (gelb markiert) erscheint eine Kirche, die leicht zentriert werden kann. Gleichzeitig geht’s noch ein Stück hinab:

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Es handelt sich um ein Wahrzeichen der „ville rose“, wie Toulouse ob seiner roten Steinhäuser genannt wird: die im 12. Jahrhundert erbaute Basilika Saint-Sernin. Mein Roman führte auch in diese Kirche – und deshalb auch meine Recherche. Zoomen wir ein letztes Mal näher heran:

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Das ist so ziemlich die maximale Auflösung – geht man noch tiefer, wird das Bild verwaschen körnig.

Ich kenne Toulouse und auch diese Kirche, insofern war mein virtueller Ausflug nur einer, um meine Erinnerung aufzufrischen. Aber manchmal schreibt man/frau eben auch über fremde und unbekannte Orte – dann helfen solche Bilder oder die im Folgenden aufgeführten Gimmicks von Google Earth enorm weiter. Beispielsweise gibt es in der Leiste links die Option “3D-Gebäude” (gelb markiert), mit der oftmals zumindest die wichtigsten Bauten einer Stadt modellhaft in drei Dimensionen dargestellt werden – auch die Kirche Saint-Sernin:

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Und schon hat der tastenhungrige Schriftsteller eine Idee, wie diese Kirche „wirklich“ (zumindest heutzutage) aussieht. Aber es geht noch realistischer: Nutzt man die Option „Panoramio“ im Ordner „Geografie im Web“, so füllt sich das Satellitenbild mit blauen Quadraten – Fotografien, die von Besuchern im Netz eingebunden wurden. Klickt man eines davon an, bekommt man ein authentisches Foto des zu beschreibenden Ortes:

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Die Informationsflut ist wahrlich beeindruckend, denn natürlich kann man sich nicht nur Fotos, sondern auch Straßennamen, Cafés, Krankenhäuser et cetera einblenden lassen. Nützlich ist etwa auch die Option „360Cities“, die beim Anklicken ein 360-Grad-Panorama öffnet – plötzlich steht man “in” Saint-Sernin und kann sich um die eigene Achse drehen. Fast schon als unheimlich empfinde ich die ja nicht gerade von allen Mitbürgern geliebte Option „street view“: Wählt man diesen Punkt der Navigationsleiste, wimmelt es auf dem Bild plötzlich vor kleinen, schwarzen Kameras:

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Klickt man auf eine dieser Kamerasymbole, öffnet sich ein Schnappschuss genau dieses Ortes – mit Blick auf weitere, wiederum anklickbare Fotografien (gelbe Kreise). Folgt man ihnen, kann man tatsächlich einen kompletten Rundgang um die Kirche machen!

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Was hätte der oben angeführte Karl May für solch eine Möglichkeit gegeben …

Wem das aber immer noch nicht reicht, kann schließlich den Reiter „youtube“ auswählen. Daraufhin werden alle bei youtube verfügbaren Filme sichtbar, die etwa Innenaufnahmen der Kirche Saint-Sernin zeigen (das Video selbst habe ich nicht eingebunden):

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Von den restlichen Möglichkeiten bei Google Earth möchte ich schließlich nur noch auf das so einfache wie nützliche Tool „Lineal“ hinweisen (an der oberen waagrechten Leiste einzuschalten). „Pilgerweg durch die Hölle“ spielt auf dem Camino nach Santiago de Compostela. Per Satellitenbild konnte ich mithilfe dieses Werkzeugs die Tour meiner Helden planen und berrechnen: Wie weit kommt man per pedes oder zu Pferd an einem Tag? Man lege das virtuelle Lineal an und messe die Distanz zweier Punkte – hier beispielsweise die Entfernung von Toulouse bis in die Pyrenäen:

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Natürlich ist gerade ein historischer Roman noch dringend auf andere Quellen angewiesen – auch wenn Google Earth mittlerweile versucht, alte Ansichten und Fotografien mit einzubinden. Dennoch empfand ich das Programm als sehr hilfreich.

Fazit: Google Earth ist ein äußerst mächtiges Recherche-Hilfsmittel für jeden Schreiberling – und lässt trotzdem noch Platz genug für die Fantasie 🙂

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3 Gedanken zu “Ein großartiges Werkzeug für AutorInnen: Google Earth

  1. Hervorragender Tipp, verständlich & anschaulich präsentiert!
    Gut, ich schreibe meistens Fantasy, aber gelegentlich auch mal anderes. Und da habe ich G.E. & Consorten schon mit viel Vergnügen und Gewinn verwendet.

    Gefällt 1 Person

  2. Freut mich, dass Dir der Blogeintrag gefällt. Und neben dem praktischen Nutzen habe ich oft einfach das Gefühl von Urlaub, wenn realer mal wieder keiner drinn ist …

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