„Gestatten?“ von Sebastian Pufpaff – ein berührendes Plädoyer für Höflichkeit

Pressefoto-Pufpaff-4┬®Manuel Berninger
Copyright: Manuel Berninger

Wann immer ich in Zeiten der Melancholie hineinfalle, in kreative Pausen voll Selbstzweifel und Lustlosigkeit, in eben jene unvermeidlichen Tal-Abschnitte des Lebens, die vor dem nächsten Bergaufstieg liegen – in diesen Phasen schaue ich besonders gerne Kabarett: Neben das Lachen tritt dort noch Weisheit, Sprachwitz und (im besten Sinne des Wortes) Moral. Alldieweil wir seit vielen Jahren fernsehlos sind, klicken wir uns so manches Mal durch die Mediatheken und lernten über die Jahre unterschiedliche Sendungen und Interpreten kennen. Sebastian Pufpaff ist einer unserer Lieblinge. Er spielt mir etwas zu oft mit den Grenzen des guten Geschmacks, provoziert ein bisschen zu gerne, besitzt aber eine wunderbare Präsenz, ist sprachlich großartig und nutzt die Provokation – egal wie fruchtlos sein Bemühen auch sein mag – stets dafür, an das Gute in uns zu appellieren. Und: Er erzählt in seinen Nummern „richtige“ Geschichten, reiht nicht wie viele andere nur Gags aneinander, sondern schlägt einen narrativen Bogen. Das eben liebe ich. In seiner seit 2013 laufenden Sendung „Pufpaffs Happy Hour“, aufgezeichnet in der Berliner Kulturbrauerei, entdeckte ich schon manche Perle des Geschichtenerzählens. So auch in Folge 43 (komplett hier anzuschauen in der Mediathek von 3sat) – eine kaum fünfminütigen Nummer, die mich sehr berührt und nachdenklich gemacht hat:

Ist das nicht großartig? Pufpaff klagt nicht und jammert nicht, macht sich und uns auch keine Vorwürfe, klagt niemanden an. Er fragt einfach nur: Wann haben wir aufgehört? Wann haben wir uns dafür entschieden, dass Freundlichkeit nichts mehr bedeutet?

Ach, ich möchte in ein gemeinsames höfliches Leben aufbrechen, möchte eine Bewegung starten, einen Hashtag #gestatten? im Pufpaffschen Sinne, möchte aufrufen zur bewussten Entscheidung für Höflich- und Freundlichkeit, für ein liebevolles Miteinander – so schwer uns das auch fallen möge in dieser neuen, technischen, ängstlichen Zeit.

Werde ich wohl nicht tun. Zu schwer, zu lustlos und schwach sind diese meine Glieder.

Aber: Zumindest jenes schöne alte Wörtchen werde ich nunmehr wieder sehr viel öfter verwenden.

Gestatten?!

© der Fotos: Manuel Berninger mit freundlicher Genehmigung der Agentur zweiR.

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25 Gedanken zu “„Gestatten?“ von Sebastian Pufpaff – ein berührendes Plädoyer für Höflichkeit

  1. Sehr schön! Ich kannte weder den Kabarettisten noch die Nummer. Aber das war mal eine wohltuende Abwechslung zu den ganzen Krawallcomedians, mit denen man ansonsten so beschallt wird, ob man es will, oder doch eher nicht – und das, obwohl ich ebenfalls seit Jahren kein Live-Fernsehen mehr sehe.

    Tja, wann haben wir aufgehört. Ich glaube, als andere anfingen, es uns als Schwäche auszulegen.

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    1. Freut mich sehr, dass Dir der Pufpaff gefallen hat. Und ich denke, Du hast vollkommen recht: Freundlich sein, Höflichkeit leben, das gilt wohl tatsächlich als „schwach“. Wir bewundern heutzutage nur die starken, brachialen Egos – und das geht von den „Großen“ wie Trump und Erdogan bis zu uns normalen „Kleinen“.
      Liebe Grüße!

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      1. Es geht ja nicht nur um Bewunderung. Mehr um das ganz normale Leben um uns herum. Was der Herr Pufpaff da vom Zug fahren erzählt, klingt zwar ganz nett und auch wie eine schöne Utopie – aber wenn sein draußen stehender Fahrgast auf diese Weise versuchen würde, in den um 16.35h von Duisburg Hbf aus abfahrenden Regionalzug zu kommen, dann würde er wohl bis Betriebsschluss dort stehen. Leider.

        Liebe Grüße zurück!

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  2. Ich sehe ihn immer wieder gerne, wenn auch leider viel zu selten. Sein meiner Meinung nach schönster Satz ist immer noch: „Versuchen Sie mit dem Namen Pufpaff mal, eine Pizza zu bestellen!“ 🙂

    Nebenbei bemerkt wünsche ich Dir, dass die Zeit der Melancholie – die ich gerade gut nachfühlen kann – baldmöglichst endet und durch eine langhaltende Phase der unbändigen Lebensfreude ersetzt wird. 🙂

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    1. Ja, dieser Name ist schon großartig (laut Wiki führt Pufpaff selbst den Namen auf hanseatische Schwarzpulverhändler zurück 🙂 ).
      Und meinen ganz herzlichen Dank für Deine Wünsche – der endlich losfeuerwerkende Frühling hilft schon! Sei gegrüßt!

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  3. Es ist großartig. Sowohl dein Blogeintrag als auch der Clip von Sebastian Pufpaff, der mit seinem Mix aus Komik, Satire und Sarkasmus am Beispiel dieser wunderbar realistisch dargestellten (Bahn-)Szene – und jeder von uns Großstadtbewohnern weiß verdammt genau, wovon Herr Pufpaff spricht – mitten ins Herz trifft, so dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt, und man unweigerlich anfängt über das eigene Verhalten in ähnlichen Szenen nachzudenken. Ganz großes Kino! Toll!

    Gefällt 4 Personen

    1. Meinen herzlichen Dank für Deinen Kommentar! Besonders faszinierend finde ich auch, wie Pufpaff im Lauf der Nummer sein Sprechen verändert, vom blödelndem Stottern in hohen lagen hin zu einem warmen, eindringlichen, geschmeidigen Tonklang am Ende. Hat mich auch sehr gepackt.
      Liebe Grüße für Dich!

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  4. Wunderbar berührend, sagt die Comedy-Hasserin und Kabarett-Liebhaberin. Diesen Menschen kannte ich noch nicht und ich danke dir für den Hinweis.
    Aber: wohin willst du aufbrechen? Du bist doch längst dort, in der Welt der Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit! Du lebst genau das in der Welt der Blogs und ich vermute, auch in der realen. Und trägst damit Freude zu deinen Mitmenschen, die du hoffentlich auch selbst bald wieder spüren kannst.

    Gefällt 3 Personen

    1. Liebe Ule,
      danke für diesen Balsam auf meine Seele 🙂 Ich gebe mir Mühe, ja, und vor allem (und gerade) in der so oft roh angehauchten Internetwelt bin ich fast übertrieben freundlich und höflich – schon allein um einen Gegenentwurf zu etablieren. Im realen Leben aber ist das sehr viel schwieriger … Da könnte ich mir doch öfter ein „Gestatten“ erlauben 🙂
      Ganz herzliche Grüße und nochmals meinen Dank!

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      1. Nun, gerade Du brauchst Dir über Deinen Stil (egal ob literarischem, fotografischen oder sozialen) sicherlich keine Sorgen machen 🙂

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    1. Schon allein deshalb bin ich so gern in Österreich 🙂 Oder in Frankreich, wo jedem Satz ein „Madame“ oder „Monsieur“ folgt – und wenn’s nur die Begrüßung ist: „Bonjour, Madame“. Das hat schon was. Und ist eben tatsächlich nicht nuuuuur hohle Sprachform…
      Ganz liebe Grüße!

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    1. Das ist ein sehr spannender Gedanke. Hat fast etwas Manipulatives – oder ist Wahrheit nicht Wahrheit? Wir müssen vielleicht eher wieder lernen, das Sehen von Wahrheit zu lehren.
      Ganz, ganz herzliche Grüße zurück!

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  5. Huhu! der Kabarettist war mir bereist aus dem tv bekannt, die Nummer jedoch noch nicht! Habe sie wirklich sehr gerene gelesen und sie hat meine Laune ein wenig angehoben :))) Also besten dank für dieses Betthupferl! 🙂 Ich wünsche allen eine gute Nacht und sende herzliche Grüße ausm hotel st christina ! Verena

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    1. Liebe Verena, habe erst heute – nach einem halben Jahr! – Deinen Kommentar im „gesperrten“ Bereich entdeckt – sorry, sorry! Aber umso mehr habe ich mich gefreut! Ganz herzliche super-verspätet-Grüße zurück!

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