Alldieweil (ach, was für ein wunderschönes Wort …) der Streifen noch bis zum 21. März in der ARD-Mediathek verfügbar ist, heute in der Rubrik „Filme für SchriftstellerInnen“ dieser ziemlich begeisterte Hinweis.
Ich muss gestehen, „Kästner und der kleine Dienstag“ hatte mich schon mit seiner zweiten Szene: Da flaniert Erich Kästner (trefflich gespielt von Florian David Fitz) nach einer durchtanzten Nacht an einer Buchhandlung vorbei, tritt ein und erklärt der Buchhändlerin: „Stellen Sie sich vor: Ich bin Vater geworden. Es ist ein Junge. Und er heißt Emil. Und der liegt hier bei Ihnen rum. Kinder brauchen Licht und Luft, sonst können sie nicht wachsen.“ Die Buchhändlerin versteht den zaunpfahligen Wink – und stellt „Emil und die Detektive“ ins Schaufenster.
Diese Kindermetapher wird immer mal wieder aufgegriffen (später heißt es etwa „Söhne aus Papier sind sehr praktisch, die verdienen Geld, kaum dass sie auf der Welt sind“) und passt sehr gut auf eine Geschichte, die sich auf die Freundschaft von Kästner und Hans Löhr (Nico Ramon Kleemann), einem Berliner Jungen fokussiert. Hans ist ein derart großer Bewunderer des Schriftstellers, dass er ihn nicht nur kennenlernen, sondern in der Verfilmung des „Emils“ von 1931 die Rolle des kleinen Dienstags übernehmen wird.
Hier der Trailer:
Muss ich im Vorspann „Nach einer wahren Begebenheit“ lesen, stöhne ich meist skeptisch auf – denn allzuoft enttäuschten mich solche Filme, da sie zugunsten der biographischen Fakten die eigentliche Story vernachlässigen. Da wird sich an Daten und Details abgearbeitet und an einer Wirklichkeit, der meist eben nicht die Stringenz einer fiktiven Geschichte innewohnt.
Dieser Film macht das nicht. Diese 2015 in Wien gedrehte deutsch-österreichische Koproduktion schafft es, nicht in diese typischen Fallen eines Biopics zu tappsen. Drehbuchautorin und Regisseur reduzieren das Personal, fokussieren sich auf die Freundschaft der beiden Hauptfiguren, erzählen ihre Story gerade, ohne Info-Dumping, unprätentiös und rund.

Zitate aus Kästners Büchern werden harmonisch eingebaut, ohne aufgesetzt zu wirken, manchmal nur ganz beiläufig – etwa wenn Kästner für seinen kindlichen Freund eine Widmung ins Buch setzt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Florian David Fitz gibt dabei einen großartigen Kästner – ganz ohne dicke Augenbrauen und ohne sächsischem Dialekt, dafür mit viel Charme, Witz und Wärme. Ihm nimmt man die Zerrissenheit eines Künstlers in Nazideutschland problemlos ab, versteht Kästners Schwanken zwischen Sarkasmus, Ironie und Verzweiflung. Auch die Nebenfiguren überzeugen auf ganzer Linie, allen voran Hans Löw, der den Zeichner Erich Ohser verkörpert – besser bekannt unter dem Pseudonym e.o.plauen und als Urheber solcher Bildergeschichten:
„Kästner und der kleine Dienstag“ ist ein erstaunlich gutes Biopic geworden, gleichzeitig ein berührender Film, der uns schreibende Zunft immer wieder mit wahren Worten erfreut. Diesem hier etwa: „Ob eine Geschichte wirklich passiert ist oder nicht, das ist egal – Hauptsache, sie ist wahr.“
Bildquellen:
– Niederländisches Nationalarchiv, via WikiCommons
– Berliner Illustrirte Zeitung vom 16. Mai 1935, via Wikipedia
Ein geniales Zitat, dessen Richtigkeit sich bei Kästner ganz klar herausstellt. Ach, und „alldieweil“ , wirklich ein Prachtwort
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Ja, nicht wahr (bezogen aufs Prachtwort)? Unglaublicherweise wird „alldieweil“ im Duden nicht nur als „veraltet für weil“ geführt, sondern auch als „scherzhaft“. Pfui 🙂
Und das Schluss-Zitat zur „wahren“ Geschichte ist wirklich ganz wunderbar …
Mit Dank und lieben Grüßen!
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Auch der Duden hat seine Schwächen. Je älter man wird desto mehr unberechtigt als veraltet bezeichnete Wörter kommen einem unter 🙂 🙂
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wie wahrhaftig wahr 🙂
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Ich finde den Film auch sehenswert und verdammt berührend. Ein echtes Kleinod, bei dem alles stimmt, und das man nur von Herzen weiterempfehlen kann.
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Freut mich, dass der Film Dir auch gefiel. Ist wirklich ein Kleinod, eine Perle, die im Fernsehen eher selten zu finden sind. „Berührend“, ja, das ist das richtige Wort.
Ganz liebe Grüße!
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Ich habe ihn auch vor ein paar Wochen angeschaut, er ging mir unter die Haut!
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Ja, hatte etliche Szenen, die unaufgeregt abgefilmt wurden, aber wahrlich unter die Haut gingen. Etwa wenn Kästner der Verbrennung seiner Bücher beiwohnt. Oder Hans als eine Art Gewissen ihm Zitate aus seinen eigenen Büchern vorhält.
Einen schönen Wochenstart wünsche ich Dir!
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Als notorische Nicht-Fernseherin bin ich kurz vor Weihnachten versehentlich auf den Anfang dieses Films gestoßen und – hängengeblieben bis zum letzten Piep des Nachspanns. Gefesselt und sehr gerührt von diesem schönen Film mit beeindruckenden Schauspielern und Schauspielerinnen.
Wie schön, dass er dich auch erwischt hat!
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Wir sind ja auch schon seit Jahrzehnten fernsehlos, nutzen aber gerne Mediatheken. Und da freut es mich immens, wenn die Öffentlich-Rechtlichen doch auch immer mal wieder solche Perlen raushauen … Schön, dass der Film Dir gefallen hat. Ich griff im Anschluss gleich mal zum „Fabian“, den ich eigentlich nie richtig gelesen habe. Kästners Erwachsenenprosa – so fein seine Kinderbücher auch sind – finde ich, hm, gewöhnungsbedürftig. Kein Vergleich zu seiner großartigen, visionären Lyrik. Gaaaaaanz liebe Grüße!
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Aber den Fabian bzw Der Gang vor die Hunde nicht als visionär anzusehen wird dem Buch auch nicht gerecht, wenn man bedenkt, wann er das Buch geschrieben hat und das er genau deswegen (und einiger anderer Schriften gegen Rechts und Waffenvernarrtheit) auf den Bücherverbrennungen den Flammen zum Opfer fiel.
Gewöhnungsbedürftig ist der für Erwachsene schreibende Kästner, aber nicht minder schlecht.
Empfehle auch seine Kurzgeschichten „Herr aus Glas“, auch wenn diese ebenfalls etwas Gewöhnung bedürfen.
Den Film konnte ich mit meiner Frau noch nicht zu Ende sehen, empfinde deine Besprechung dazu aber gut getroffen. Der Film zeigt genau das richtige Maß, damit er nicht ins kitschige abrutschen, aber auch nicht zu belehrend daher kommt. Bis zur Hälfte ca gesehen und bis dahin wurden wir gut unterhalten.
Liebe Grüße
Marc
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Stimmt, visionär ist der „Fabian“ allemal. Ich habe auch weniger mit dem Inhalt als mit der Sprache des Kästners für Erwachsene Probleme. Die ist mir irgendwie zu lakonisch, zu unpräzise, zu, keine Ahnung, zu lapidar? Während ich seine Lyrik sprachlich einfach großartig finde, ist die Prosa für mich eben, ja, gewöhnungsbedürftig. Meinen Dank auch für den Kurzgeschichten-Tipp – da bin ich gespannt. Liebe Grüße zurück!
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Zu der lapidaren Schreibweise sage ich immer, dass Kästner mit Augenzwinkern geschrieben hat. Er hat seine Rolle als eher klein gesehen, der als Einzelner wenig ausrichten kann. Jedenfalls interpretiere ich das so. Auch seine Kinderbücher sind ähnlich, dafür halt kindlicher geschrieben.
Sue Gedichte sind dagegen schärfer formuliert, da gebe ich recht.
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Verstehe schon. Dieses „Augenzwinkern“ erreicht mich persönlich aber nicht wirklich, das „stimmt“ für mich sprachlich nicht. Keine Ahnung – wahrscheinlich liegt’s an mir 🙂 Ganz liebe Grüße!
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Ich habe den Film auch gesehen und mir gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf; hätte sie aber wohl nicht so treffend formulieren können. Weil jeder Film notwendigerweise nur einen winzigen Ausschnitt aus der Biografie darstellt, kann eine erzählerische Abweichung von den sogenannten Fakten manchmal das Wesentliche viel authentischer zum Ausdruck bringen. Dafür ist dieser Film ein gutes Beispiel. Vielen Dank, dass du mir noch einmal bewusst gemacht hast. Liebe Grüße, Joachim.
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Ich habe zu danken für Deine freundlichen Worte! Und der Film schafft ja tatsächlich das Kunststück, von den Fakten gar nicht mal abzuweichen: Er lässt nur manches weg (etwa Kästners Beziehung zu seiner Sekretärin in der Zeit) und fokussiert sich. Ganz liebe Grüße auch Dir!
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