Der Club der toten Dichter

In der Rubrik „Filme für SchriftstellerInnen“ darf natürlich dieser Klassiker von 1989 nicht fehlen. Dabei geht es bei diesem Film ja nicht originär um einen Autor oder das Schreiben – Thema ist vielmehr der Kampf zwischen konservativer Erziehung und der eigenen Selbstentfaltung. Der Schritt zu dieser Verwirklichung aber geschieht über Literatur und Poesie: Selten wurde die Magie der Sprache, das Wertvolle von Kunst auch und gerade für unseren Alltag, derart trefflich auf die Leinwand gebracht. Insofern ein absolut passender Film für SchriftstellerInnen.

Falls jemand den von Peter Weir inszenierten Streifen tatsächlich noch nicht kennen sollte: Der unorthodoxe Englischlehrer John Keating – großartig verlebendigt von Robin Williams – ruft seine Schüler im Englischunterricht zu selbstständigem Denken auf. Die konservativen Schulstrukturen, die omnipräsenten Eltern und das starre Gesellschaftskorsett Ende der 1950er Jahre machen dieses Unterfangen allerdings nicht einfach.

In einer meiner Lieblingsszenen gleich zu Beginn macht Keatings seine Jungs mit dem Prinzip „Carpe diem“ bekannt (die Soundqualität bei dem Clip ist leider nicht gut, bitte laut stellen):

„Pflückt Rosenknospen solange es geht!“ Jedesmal, wenn ich diese Szene sehe oder auch nur erinnere, denke ich: Ja verdammt, nutze die Zeit doch endlich besser!

Oder dieser kleine Ausschnitt, der ein für allemal die Notwendigkeit von Lyrik thematisiert: „Wir lesen und schreiben Gedichte nicht nur so zum Spaß. Wir lesen und schreiben Gedichte, weil wir zur Spezies Mensch zählen!“

Ich studierte damals in Marburg, als ich in einem dortigen Kino den „Club der toten Dichter“ sah – und weiß noch genau wie ich lächelte, breitgrinsig, übers ganze Gesicht, als ich diese Sätze hörte: „Ganz gleich was man Ihnen erzählt: Worte und Gedanken können die Welt verändern!“ Mich brauchte man nicht zu überzeugen 🙂

Sicher, stellenweise merkt man dem Film sein Alter an: Die Moral von der Geschicht‘ wird für den heutigen Geschmack zu lange ausgewälzt, Klischees drücken stellenweise das Drama hinab. Dennoch: „Der Club der toten Dichter“ ist auch für jetzige Generationen sehenswert. Vielleicht – was das eigene Denken in der smartphonen Internetwelt angeht – mehr denn je. Und wenn ich noch genauer in mich hineinhorche, wenn ich die Kurven und Umwege des Unterbewussten einrechne und die alles vernetzenden Schaltungen im Gehirn, dann könnte es sogar sein, dass eine Redefloskel meines aktuellen Romanprojekts „Elmsfeuer“ – ich meine jenes „Dreimal Aye, Kapt’ai“ – sehr wohl als Remineszenz, als ein unklares Echo auf die Schluss-Szene dieses Films entstanden sein könnte: Jene Szene, wenn die Schüler ihren Lehrer mit dem Vers eines Gedichts von Walt Whitmans ehren und verabschieden: „O Captain! My Captain!“

Wisst Ihr noch, wann und wo ihr den „Club der toten Dichter“ gesehen habt? Und seid Ihr auch solche Williams-Fans wie ich?

35 Gedanken zu “Der Club der toten Dichter

    1. 🙂 Das glaube ich, dass die Suche nach Zitaten bei Deiner Bildwort-Kunst nicht die einfachste ist. Muss ich mich gleich mal auf die Suche machen, wo und wie Du den „Club“ zitierst! Liebe Grüße!

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    1. Nö, ist natürlich nicht wichtig. Ich merkte nur beim Schreiben des Artikels, dass ich mich (erstaunlicher- und zufälligerweise??) gerade bei diesem Film erinnern konnte, wann und wo ich ihn sah. Nur deshalb habe ich nachgefragt 🙂 Ich fand den Williams immer klasse – zumindest dann, wenn er nicht zu witzige Rollen spielte. Einer meiner Lieblinge ist etwa „Hinter dem Horizont“ – wie da das Jenseits gezeigt wurde, klasse! Einen lieben Abendgruß für Dich!

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  1. oh ja, ich mag beide: film und williams! es ist lange her, dass ich den film gesehen habe, soviel weiß ich noch – und dass ich mir schon damals zitate daraus abgeschrieben habe. ich muss ihn mir unbedingt mal wieder ansehen! danke, feiner beitrag!

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  2. Ich wollte eh schon mehrmals schreiben, wie ohrwurmig ich dein “Dreimal Aye, Kapt’ai” finde. An und für sich habe ich für militärisches gar nichts übrig, aber das hat mich eine Weile begleitet …

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  3. Ich LIEBE diesen Film. Leider scheint in der Lehrerausbildung immer der Bock zum Gärtner gemacht zu werden, weshalb man ihn an den unpassendsten Stellen als besonders gutes Beispiel präsentiert bekommt. Doch das konnte (und kann bis heute) meine Begeisterung für den Film nicht schmälern. Gerade als Jugendlicher war ich ein begeisterter Fan von Shakespeare und Joyce, beide habe ich im englischen Original gelesen und sogar mit Sekundärliteratur gepimpt (natürlich mit Cliff’s Notes). Davon zehre ich zum Teil bis heute, nicht ganz umsonst kann ich ganze Passagen aus dem Sommernachtstraum auswendig rezitieren. Und diese Liebe zu den Klassikern habe ich zum Teil diesem Film zu verdanken.

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      1. Na, das glaube ich aber nicht. So wie Du schreibst („komplettes Freischwimmen liegt mit nicht“) ist das doch eher ein strukturiertes Planen. Als Schriftsteller würde ich sagen: Du plottest eben Deine Schulstunden 🙂 Und wie beim Schreiben entfernst Du Dich je nach Gusto und Umständen von diesem Plan …

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  4. Ich bin ein eingeleischter Williams-Fan. Ich sah den Film vor vielen, vielen Jahren mit meinem besten Freund im Schiurlaub in den frz. Alpen. Es lief sonst kein Film im Dorfkino. Wir waren tief beeindruckt, und noch Jahre danach sprach mich mein Freund mit den Worten „Oh captain, my captain!“ an.

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    1. Danke für Deine Kino-Geschichte zum Film – klingt schön. Oft sind es ja nur die „witzigen“ Sprüche, die’s in den Alltag hinein schaffen („Hasta la vista, baby“), umso schöner, wenn’s mal mit einer Gedichtzeile klappt! Liebe Grüße!

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  5. Ich liebe Robin Williams und es gibt keinen Film, indem ich nicht mindestens ihn/seine Schauspielkunst mag. Hinter dem Horizont liebe ich auch sehr ❤ Leider kann ich seit seinem Tod scheinbar keinen seiner Filme anschauen, weil ich furchtbar sentimental werde. Er ist halt doch einfach ein Teil Kindheit. In vielen Punkten.

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  6. Dieser Film hat meine Sympathie für Robin Williams begründet. Aber wann ich ihn gesehen habe, weiß ich nicht mehr – das mag auch damit zusammenhängen, dass ich mich nicht erinnere, wie oft ich den „Club der toten Dichter“ gesehen habe, mit nie nachlassender Rührung, nie ohne Tränen – gute Schauspielkunst nutzt sich nicht ab durch die Häufigkeit ihrer Betrachtung. Da liegt für mich auch die Gemeinsamkeit mit der Lyrik: durch erneutes Lesen wächst nicht Langeweile („kenn ich schon“), sondern neue Entdeckungen, die sich beim ersten Mal gar nicht erschlossen haben, tun sich auf.
    In diesem Zusammenhang und auf ähnlicher Ebene: ich warte sehnsüchtig auf eine gute Verfilmung von „Stoner“ – vielleicht wagt sich gerade wegen der Nähe zum „Club der toten Dichter“ niemand so recht daran?

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    1. Bei „Stoner“ musste ich erstmal googeln – hört sich aber sehr spannend an. Und wenn die Empfehlunge von Dir kommt, muss ich mir den Roman gleichmal holen (aber erst nachdem ich den Härtling lesebuchlesend gelesen habe 🙂 ). Und wie recht Du hast mit der Lyrik – nimmermehr wird man müde sie erneut zu lesen. Und noch stärker: Auswendig gelernt, trägt man die Zeilen mit sich herum und erweitert sein Erleben mit den Zeilen im Kopf. Ganz liebe Grüße für Dich!

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      1. Das hat mich jetzt richtig überrascht: du kennst echt „Stoner“ nicht (Sorry, soll jetzt nicht zickig klingen)? Da plädiere ich ja fast dafür, ihn zeitlich vor den Härtling zu ziehen – es gibt so viele Analogien, aber auch so viele andere Welten/ Hochschulwelten in dem Buch, so viele skurrile Typen, tragische und tröstende Episoden, so kalten Hass, so wehrlose Liebe, die Zuflucht in das Schreiben, so viel traurige Sinnlosigkeit und trockenen Humor, und das alles in einer hinreißenden Sprache (sogar in der Übersetzung)! Das einzige Buch in meinem Leben, das ich – am Ende angelangt – sogleich wieder von vorn begonnen habe, und das sogar dreimal.
        Ein Roman, den man gut mit den Fotos von Walker Evans illustrieren könnte.
        Sei herzlich gegrüßt.

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      2. Das ist ja gerade das Spannend-Wunderbare an Kunst: Was man alles nicht kennt. Und so gerne wie blind folge ich Deiner Empfehlung und ziehe „Stoner“ vor: Das klingt jetzt mit Deinen Ausführungen noch toller 🙂 Herzlichen Dank für den Tipp!! Und herzliche Grüße zurück!

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      3. Da will ich doch sogleich Ules Empfehlung für STONER bestätigen!

        John Williams wahrt in seinem Roman „Stoner“ eine bewundernswerte Balance zwischen mitgefühlvoller Charakterzeichnung und intellektueller Disziplin.

        Die Originalausgabe erschien 1965, geriet in Vergessenheit und wurde 2006 von Edwin Frank, dem Gründer der legendären Reihe New York Book Review Classics, wiederentdeckt. Im September 2013 erschien die deutsche Erstausgabe – in Leinen gebunden – bei DTV und, im Dezember 2014, die Taschenbuchausgabe.

        Mit seiner zwischenmenschlichen Präzision, seinen poetisch-philosophischen Reflexionen und seiner lebenserfahrenen Tiefenschärfe ragt dieser Roman zeitlos heraus und verdient zu Recht das Prädikat Klassiker.

        Falls Dich meine Rezension reizt, kannst Du sie unter nachfolgendem Link lesebesuchen:
        https://leselebenszeichen.wordpress.com/2015/04/20/stoner/

        Bibliophile Grüße von Ulrike 🙂

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      4. Liebe Ulrike, meinen Dank für die Empfehlungsbestätigung – da freu ich mich ja noch mehr, dass ich das Buch gleich bestellt habe 🙂 Und Deine Rezi schau ich mir neugierig gleich an! Liebe Grüße!

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  7. Ich gestehe hiermit, den Film bis heute nicht gesehen zu haben. Und das liegt daran, nächstes Geständnis, dass ich Robin Williams nie wirklich gemocht habe. Ich respektiere seine Leistungen als Schauspieler, kann auch verstehen, wieso er so beliebt gewesen ist, aber es ist so, wie es eben mit manchen Menschen einfach ist – die Chemie zwischen uns hat nicht gestimmt.

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    1. Ich habe nur Schwierigkeiten mit seinen „Blödel“-Filmen – schon mit „Mork vom Ork“ beginnend. Seine „ernsten“ Sachen finde ich großartig. Und dem „Dichterclub“ solltest Du als Schriftsteller schon irgendwann mal eine Chance geben!

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    1. So eine Schule hätt‘ ich auch gern gehabt – wir haben uns nur einen Film je angesehen: Die Schwarzweiß-Version von Heinrich Manns „Untertan“ (fand ich gräßlich damals …). Vielen Dank für Deine Club-der-toten-Dichter-Erinnerung! Und natürlich: ganz liebe Grüße!

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      1. DEFA-Film von 1951, hier der Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=LNmyQahcOTw.
        Aber wie gesagt, fand ich als Schüler furchtbar … Selbst das Buch mag ich nicht besonders, obwohl großer Heinrich-Mann-Fan und die Beschreibung der Kaiserzeit, die in den ersten Weltkrieg treibt natürlich so wichtig wie trefflich aufgedeckt wird. Ich wünsch‘ Dir einen schönen Tag!

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  8. Den „Club der toten Dichter“ habe ich damals gleich gesehen, als er ins Kino kam. Das war ungefähr 1990, also im vorigen Jahrhundert 😉 . Ich hatte kaum Vorinformationen und war einfach so aus Laune mit einigen Freundinnen mitgegangen und dann SEHR angenehm überrascht und poetisch-zwischenmenschlich berührt, ja, aufgewühlt.
    Inzwischen habe ich diesen Film noch zwei oder dreimal gesehen, da ich ihn auf DVD besitze. Ich finde ihn zeitlos und inspirierend – auch in der Wiederholung!
    Cineastisch-nostalgische Grüße von Ulrike

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    1. Ja, einiger der wenigen Filme, die Poesie wirklich ernst nehmen, die eine Verbindung von Literatur und Menschsein auch im „normalen“ Leben beschreiben. Und beim Wiederschauen für diesen Beitrag ging es mir wie Dir: nach wie vor inspirierend. Liebe bildwort-lebende Grüße zurück!

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