Schreibtipps von Michael Ende

Ich bin ein großer Bewunderer der „Unendlichen Geschichte“, und so freute ich mich sehr, als ich gestern beim täglichen Prokrastinieren über dieses Video stolperte: Michael Ende bei Blacky Fuchsberger. Das Gespräch wurde 1990 aufgezeichnet – meine Güte, sooooo lange ist das ja noch gar nicht her. Und doch wirkt diese Welt, diese Menschen mit ihren Frisuren und ihrer Kleidung so weit entfernt …

Ende kommt sympathisch, aber stellenweise auch distanziert rüber. Was er aber zu sagen hat, gefällt mir sehr. Angefangen bei seinem Statement, dass nur gesprochene Sprache „richtige“ Sprache sei (auf dass wir AutorInnen unsere Texte laut lesen mögen, um jedes Holpern zu bemerken) bishin zu seinem mutmachenden Polgar-Zitat: „Erfolg ist nur eine Frage des Portos“ (denn auch Michael Ende schickte seine Manuskripte immer und immer wieder herum).

Spannend fand ich auch seine Schreibstrategie: Er beginnt mit einem Satz, mit einer Szene und entwickelt daraus seine Geschichte – ohne zu wissen, wie’s weitergeht. Er ist also eindeutig kein Architekt, sondern ein Gärtner. Er selbst vergleicht seine Technik mit dem eines Malers, der ja auch oft intuitiv seinen Pinsel schwingt.

Mein Lieblingssatz von Ende aus diesem Interview lautet schließlich: „Es gibt einen Moment, wo man mit den Figuren nicht mehr machen kann, was man will. Und das ist gut so. Denn dann werden die Figuren wirlich lebendig.“

Genug der Vorrede, hier das Video:

Für mich war „Die unendliche Geschichte“ eine Initialzündung in Sachen Fantasy und Magie des Lesens – der „Harry Potter“ unserer Generation sozusagen. „Jim Knopf“ dagegen lernte ich noch früher über die Augsburger Puppenkiste kennen. Und bis heute frage ich mich: Wie genial muss man sein, um einen König „Alfons-den-Viertelvorzwölften“ zu nennen? Habt Ihr ähnliche Erfahrungen mit Ende gemacht?

 

 

38 Gedanken zu “Schreibtipps von Michael Ende

  1. Ein sehr feiner wohllesender und guter Edit / ein Autor mit hohen Potenzialen und überragender Schreibkraft / und das Porto zum Erfolg führt finde ich eine grinsefreudige Aussage…..

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  2. „Tägliches Prokrastinieren“ ist aber auch fein …
    Mir wurde „Jim Knopf“ in der Badewanne vorgelesen, als ich noch des Lesens unkundig war oder meine Mutter glaubte, ich wäre nicht fähig zu lesen, ohne das Buch ins Wasser fallen zu lassen … hach … 😉

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  3. Während des täglichen Prokrastinierens kommen einem oft die besten Ideen – wer könnte das besser verstehen als ich, bin ich doch just eben, während ich eigentlich einen neuen Beitrag verfassen wollte, in den Reader umgezogen und habe dabei deinen Beitrag gefunden 🙂 Sie lebe also hoch, die Prokrastination 😉

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  4. Fantasien hat natürlich auch einen dunklen Aspekt, da es unendlich ist, entsteht auch ein heilloser Sog an mythischer Regression. Ich denke, nicht nur ich, dieser Aspekt wird gerne auch einmal übersehen. Es ist nicht alles nur fantastisch und märchenhaft schön bei M. Ende sondern eben auch abgründig 😉 Lieben Gruß.

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  5. Oh, das schaue ich mir gerne bei Gelegenheit an! Und ja, die 80er/90er sind inzwischen schon Äonen weit weg. Wir werden alt …

    Mich wundert eigentlich nicht, dass Ende ein Gärtner (auch ein netter Begriff) ist. Gerade bei einem Roman wie „Die unendliche Geschichte“ merkt man, meines Erachtens, dass er sich durch den Moment, durch seine Fantasie, hat leiten lassen. Hieraus entsteht auch ein großer Teil des Sogs dieses Buches, weil man eben beim besten Willen nicht die Punkte finden kann, an denen das Gerüst des Romans sichtbar wird.

    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

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    1. Ja, da hast Du wohl recht. Er erzählt sogar, dass der Druck des Buches um ein Jahr verschoben werden musste, weil er mit dem Manuskript nicht fertig war: „Ich habe keine Ahnung, wie ich Fantasien verlassen kann!“
      Ein schönes sonnenfrühlingskreativfeuriges Wochenende auch Dir!

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      1. Sonnenfrühling fällt in Duisburg leider ins Wasser. Hier ist bestes Erkältungswetter *grummel*.

        Ja, Fantasien bietet Stoff für mehr als eine „Unendliche Geschichte“ 🙂 .

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      2. Ich bin jetzt erst zum Anschauen gekommen, aber das ist ja wirklich ein fantastisches Gespräch! Das habe ich mir erst einmal als Tonspur gesichert und werde ich mir sicherlich noch einige Male anhören. Danke noch einmal fürs ausgraben!

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  6. Ich mag Michael Ende sehr, sehr gerne! Mein persönlicher Favorit ist Momo. Diese Geschichte ist philosophisch und verliert kein bißchen an Aktualität. Die grauen Herren sind mir stets in Erinnerung und Beppo der Straßenkehrer, der weiß, dass es wichtig ist, den einzelnen Besenstrich für sich zu sehen und nicht nicht die ganze Straße auf einmal.
    Dann habe ich eine Lieblingszeile im Gauklermärchen- ich schreibe mal aus dem Kopf heraus, in der Hoffnung mich richtig zu erinnern:
    „Was du nicht kennst, das meinst du soll nicht gelten,
    du glaubst, dass Phantasie nicht wirklich sei?
    Aus ihr allein enstehen künftig Welten,
    indem, was wir erschaffen, sind wir frei.“
    Das finde ich großartig. Lieben Gruß!

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  7. Es gibt doch auch das Buch „Spiegel im Spiegel Labyrinth im Labyrinth“ von Michael Ende, nur für Erwachsene und mit Bildern seines Vaters Edgar Ende, einem Surrealisten. Was im Titel verheißen wird, findet sich in den Kurzgeschichten dort wieder, einige spiegeln sich nach mehreren Seiten, andere verschachteln sich wie ein Labyrinth. Das Buch hat mich am meisten beeindruckt.

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    1. Passt zu Dir 🙂 Für mich waren die Geschichten einen Tick zu sehr Richtung Surrealismus. Andererseits fand ich’s damals großartig, dass Ende einfach völlig unterschiedliche Sachen machte und sich nicht in Schubladen pressen ließ. Danke für die Erinnerung – das muss ich unbedingt nochmal lesen! Liebe Grüße!

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  8. Ja, habe ich, Michael Ende ist, zusammen mit Astrid Lindgren, für mich der Öffner für gute Kinderliteratur gewesen, fern von allen Nesthäckchens der Welt, mit der man „uns“ Mädchen meinte bedienen zu müssen- Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer las ich bestimmt dreimal und ich erinnere mich noch…
    aber ich will dich nicht langeweilen, sondern mich bedanken, dass du an diesen tollen Schriftsteller erinnerst- und nun weiss ich auch endlich was für eine Schreiberin ich bin: eine Gärtnerin 😉 (passt!)- dankeee
    und herzliche Abendgrüsse an dich
    Ulli

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    1. Ganz lieben Dank, liebe Gärtnerin Ulli, die mich überhaupt nicht gelangweilt hat (im Gegenteil, hätte gern mehr über Dich und Deine Lummerland-Erfahrungen gelsen. Ich zum Beispiel mochte den Lokomotivführer Lukas immer ein Stück mehr als Jim Knopf 🙂 ). Und Lindgren, ja, über sie muss ich auch noch unbedingt einen Türöffner-Post schreiben … Herzlichen Dank und liebe Abendgrüße (einen Abend später) zurück!

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      1. da haben wir noch etwas gemeinsam, auch wenn ich, wie Jim ein Findelkind im Mooskörbchen war ;), mochte ich immer Lukas sehr, so einen Vater hätte ich wohl gerne gehabt!
        Schön, dass ich dich nicht gelangweilt habe- ich freue mich auf deinen Lindgren-Artikel!
        hab eine gute Woche
        herzlichst
        Ulli

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  9. Ich liebe Michael Endes Geschichten. Vor allem Lukas hat es mir angetan.
    Was ich immer faszinierend fand und finde, mit welch einfacher Sprache sofort Bilder, Landschaften und Magie von Herrn Ende geschaffen wurden.

    Mir geht es beim schreiben ähnlich: Ich fange an und bin hinterher überrascht. Leider gelingt es mir nicht, solch Geschichten zu schreiben, die etwas länger sind, obwohl sie in mir leben.

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    1. Ja, ich mochte Lukas auch immer besonders gerne. Und ja, die Sprachkraft seiner Texte bei aller Einfachheit und Stringenz ist schon erstaunlich.
      Warum geht das nicht mit längeren Geschichten? Kannst Du sie nicht vielleicht in kürzere Sequenzen aufteilen? Wenn sie in Dir leben, wollen sie auch raus – und ich fänd’s schade, wenn das nicht und nie klappen würde …
      Liebe Grüße!

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      1. Ich verzettel mich in meiner Phantasie….oder die Texte werden langweilig mit zunehmender länge. Mal schauen, manchmal ergeben viele Kurztexte ja auch soetwas wie eine Geschichte. Danke für die Ermunterung.

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      2. Ja, verzetteln ist ein Problem. Aber wie alles andere natürlich lösbar. Jeder Roman besteht aus kleinen Kapiteln und Planen kann eine wunderbare Arbeit sein … Deine großartige Sprache ist jedenfalls einen Roman wert 🙂 !!!

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  10. Die unendliche Geschichte von Michael Ende war der goldene Anfang aller Fantasiebücher,
    und dann noch der Text in zwei unterschiedlichen Farben, WAS für ein Erlebnis das war!!!

    Erst danach habe ich nachgeholt, was es zuvor schon gab: Herr der Ringe, Erdzauber, Erdsee…
    Die Welten der Fantasie sind zauberschön, aber eben nur fantastisch…

    Hab einen schönen Tag!
    Herzlich, Lu

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    1. Den hatte ich, meinen Dank, auch wenn dieser Tag schon wieder länger her ist: ein paar Tage in Internetfreier Schwiegermutter-Dorf-Zone 🙂
      Und ja; Die beiden unterschiedlichen Farben in der unendlichen Geschichte – das war großartiges Erlesen-Erleben. Ganz herzliche Grüße!

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      1. Oh ja! Vielleicht würde ich ja wieder die Grünen wählen, wenn sie nicht einen Veggie-Day, sondern einen kommunikationstechnikfreien Tag propagieren würden 🙂 Jedenfalls ein doch „befreiter“ Zustand (und wenn man dann Nachhause kommt, wie ein Drogensüchtiger auf Entzug gleich an den PC …) 🙂 Einen schönen Tag wünsche ich auch Dir!

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  11. Für mich war Endes Jim Knopf keine Literatur, sondern quasi ein Teil der Welt. Eine süße des Herzens, ein Vergnügen am liebevollen Fabulieren….

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    1. Hm, was für ein schönes Kompliment für Ende: keine Literatur, sondern Teil der Welt! Ist schon großartig, wenn Kunst das schafft. Und auch Deine Lust „… ams liebevollen Fabulieren“ trifft’s haargenau – meinen herzlichen Dank!

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