»Wir kommen näher«, sagte Joshua Gillroy und machte vorsichtig einen weiteren Schritt durch die Dunkelheit. Mit jedem Tag war die Zahl der Feuergruben gewachsen, so als wäre die Erde unter ihren Füßen von einem Virus befallen, immer mehr Löcher in der Haut, immer mehr brennende Pusteln auf ihrem Weg nach Norden. Bald waren die Gruben so dicht in den Boden gestanzt, dass die beiden Seelords beschlossen bei Nacht weiterzugehen: Das schwache, orangefarbene Leuchten war tagsüber kaum zu sehen, sodass sie in der Dunkelheit schneller vorankamen. Dann strahlten die Gruben ihr Licht, dann schlängelten sich Simon und Josh um die Erdlöcher wie bei einem irrsinnigen Slalom.
»Wie auf einem …« Gillroy zögerte, suchte nach dem richtigen Wort. »Einem Vulkan. Ein Feld aus … Lava.«
»Nur nicht so heiß.« Simon nickte. Und spürte nur zu deutlich, wie unendlich langsam diese Bewegung ablief. Die Umarmung der Medusa schlang sich jetzt schon um seinen gesamten Körper. Seine Füße schienen in Schlamm zu stecken, so mühsam war das Hochziehen bei jedem Schritt. Seine Arme hingen, als wären sie schon endgültig erstarrt, wie zwei tote Äste an seinen Schultern. Und seinen Kopf zu drehen, das war schwieriger als ein verrostetes Handrad auf der MS Cohiba zu bewegen, wenn man ein Schott öffnen wollte. Nur das Sprechen lief – bis jetzt zumindest – in gewohnter Geschwindigkeit ab. Simons Denken mochte langsamer werden und sein Körper stottern, doch seine Wörter kamen noch schnell genug von den Lippen.
»Wieviel Zeit bleibt mir?«, fragte Segur in der dritten dieser brennenden Nächte. »Was meinst du?«
Gillroy brummte. »Keine Ahnung. Aber du hast es verdient, Mârin.«
»Ach ja?«
»Zum Teufel, Segur, du hast uns von der Cohiba getrieben. Du hast die anderen in den Tod geführt. Du hast Lorielle gehen lassen. Du hast …«
»Bin ich schuld?«, unterbrach Simon ihn und machte einen weiteren, quälend langsamen Schritt durch die feuerfarbene Nacht. Die Gruben leuchteten, die Luft roch noch immer nach Frühling, die Stille wurde nur unterbrochen von Insekten, die sich, angelockt vom Licht der Feuergruben, in sie hineinstürzten und knisternd verbrannten.
»Ein paar Tage«, meinte Gillroy schließlich. »Eine Woche vielleicht.«
Simon nickte. Langsam und träge. Eine Woche dachte er.
Ob das genügte?
Die wenigen Stunden Schlaf am Tag waren angefüllt mit dem drängelnden Wesen aus Licht, mit dem fordernd murmelnden Elmsfeuer. Es schien in ihren Träumen dichter und fester zu werden, an Materialität zuzunehmen, heller und realer zu funkeln, immer lauter nach ihnen zu rufen. Ja, sie kamen näher. Und als sie aufwachten in einer der nächsten Nächte, müde und zweifelnd, streckte Joshua Gillroy seinen Arm aus und deutet nach vorne. Nach Norden. »Schlafe ich noch?«
»Nein«, antwortete Simon.
Vor ihnen strahlte, heller als der Viertelmond am Himmel, heller als die glutglimmenden Teiche am Boden, die blitzende Kugel des Elmsfeuers. Ein Lichtball, grell und lebendig, voll zuckender Energie, mannshoch über dem Boden schwebend. Kein Traum mehr. Nervös kreisend in der Luft, ein Augapfel aus zusammengedrückten Blitzen, der sie anzustarren schien.
»Also dann!«, sagte Joshua grimmig.
»Aye, Kap’tai«, sagte Simon. »Folgen wir dem Stern.«
Bin gespannt … :o)
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So soll es sein. Viel kommt ja nicht mehr 🙂
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:o( Kommt DANACH auch wieder was?
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Hier im Blog nicht. „Elmsfeuer“ ist der erste Band einer größeren Geschichte – ehrlich gesagt hab ich keine Ahnung, wie ich den Blog nach dem Ende davon weiterführen werde 🙂
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