Winnetou RTL: ein Schriftsteller im Indianerland

Nun, diesen von RTL produzierten Dreiteiler in die Kategorie „Filme für SchriftstellerInnen“ aufzunehmen, ist natürlich einerseits irreführend. Andererseits passt’s ja schon: Immerhin geht hier Karl May persönlich auf Reisen. Ein Autor im Wilden Westen eben.

Mitbekommen habe ich im Vorfeld von dieser Neuauflage nichts, da wir schon lange fernsehlos leben. Unseren Hunger nach Flimmerbildern stillen wir ausschließlich über die DVD-Abteilung der Stadtbücherei. Und dort kam, fand und leihte ich mir die drei Silberscheiben (als alter Winnetou-Nostalgiker) so frohlockend wie skeptisch aus.

Aber ach, was habe ich mich über diese Trilogie geärgert. Wenn man schon die reale Figur Karl May fiktiverweise ins Apachen-Land schickt (May reiste erst lange nach seinen drei ersten Winnetou-Büchern in die USA), warum zeigt man ihn dann nicht auch schreibend? Das wäre doch mal ein neuer, angereicherter Ansatz gewesen: Karl May unter dem Sternenhimmel ein paar Zeilen dichtend. Karl May eine Ode der Traurigkeit über getötete Büffelhorden ins Notizbuch kritzelnd. Aber nein! Old Shatterhand ist in diesen Filmen nur der deutsche Techniker, der im Silbersee mal eben eine Taucherglocke zusammenbastelt. Dem Ingenieur ist nix zu schwör.
Eine Platitude von vielen.

Dass mir die drei Filme nicht gefielen, lag allerdings mitnichten an den Schauspielern. Sie machen – bis in die Nebenfiguren hinein – einen guten Job. Aber warum bitteschön muss in allen (!) drei Filmen der Bösewicht ein durchgeknallter Irrer sein? Einmal hätte ich das ja noch ertragen – aber dreimal dieselbe Chose? Und wenn man schon die Lizenz für Martin Böttchers alte Filmmusik einkauft – wieso modernisiert man die Stücke derart schrecklich fahrstuhlseicht? Diese Musik ist für schmalzig-sattes Orchester gemacht und nicht für eine zupfende Klampfe oder säuselnden Lalala-Gesang. Derart dem Original ähnlich wie im Trailer (!) klingt die Musik kein einziges Mal in den Filmen auf.

Auch die Landschaft – obwohl an den alten Schauplätzen gedreht wurde – ist langweilig eng, kalt und öde abgefilmt – einzige Ausnahmen sind ein paar Szenen im zweiten Teil (der Silbersee-Story). Von den Plot-Löchern will ich gar nicht erst reden. (Die Apachen verkriechen sich in einer Höhle in den Bergen, darben in Hunger und Schnee, während ein paar Meter weiter unten frühlingshaft die Sonne scheint – hallo?)

Was mir aber dieses Projekt endgültig verleidete, war das ärgerliche Gemetzel im dritten Teil. Da wird nur noch rumgeprügelt und geballert: keine Story, viele Kugeln. Ein Kampf folgt auf den nächsten und macht aus dem ganzen Film ein ermüdendes Pirouettendrehen auf Cowboy-Stiefeln. Was so in den 60er- und 70er-Jahren als Fernsehproduktion noch erträglich war, ist heute nur noch fragwürdiger Unfug.

Schade drum. Ein Lichtblick war die gelungene Gewichtung auf Nscho-tschi, die endlich mehr sein darf als hübsches, schwarzbezopftes Beiwerk. Und auch der Fan-Service hat mir gefallen: Immer wieder erklären kleine Szenen, woher etwa Winnetou seine Silberbüchse, Shatterhand seinen Henry-Stutzen – und beide ihre Pferdchen bekommen. Das war nett gemacht. Immerhin.

Fazit: Definitv kein Film für SchriftstellerInnen, auch wenn ein Autor die Hauptrolle spielt. Zwar kein absoluter Reinfall (jetzt hätte ich fast, adäquat zum Silbersee, „Rheinfall“ getippt), aber viel zu oberflächlich – und vor allem der Schlussteil extrem sinnfrei. Am Nimbus der alten Filme kratzen diese Drillinge nicht mal …

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24 Gedanken zu “Winnetou RTL: ein Schriftsteller im Indianerland

    1. Die Bücher lese ich immer mal wieder – vor ein paar Jahren etwa, als ich in Südamerika war, „Durch die Cordilleren“. Fand ich erstaunlich, wie genau May da den Chaco, den Paraguay-Krieg und ähnliches recherchiert hat! Mit den alten Filmen bin ich noch ein Stück weit aufgewachsen – das war halt Kult damals 🙂 Und das Foto schließlich entstand während eines Pompeji-Besuch. Liebe Grüße!

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      1. Nachdem ich als Ewachsene erfahren habe, dass May eigentlich alles erfunden hat und nie einen Fuß nach Amerika gesetzt hatte (außer ein paar Wochen lang, nach dem Schreiben der Winnetous) haben sie mich nicht mehr interessiert.
        Ah ja und da fällt mir noch mein letztes May-Erlebnis ein. Immer noch als Kind hatte ich ein Buch gelesen, das in Europa spielte und da ging es um einen mysteriösen Hauslehrer, der immer aus irgendwelchen geheimnisvollen Tapetentüren heraustrat. Und da stand irgendwo der Satz „ein junger Mann von 50 Jahren“. Das war für mich als Kind unbegreiflich. Ich erinnere mich, dass ich meine Mutter stundenlang genervt habe, weil ich es nicht fassen konnte, dass der hochverehrte Karl May so etwas Dummes schreiben konnte.

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      2. Ha, ha, das ist eine wunderbare Geschichte. Aber auch damals wimmelte es stellenweise von Fehlern in Büchern – Lektorat hin oder her 🙂 Und mich faszinierten die Bücher, als ich erfuhr, dass er nie da war – fast noch mehr: Ich finds einfach großartig, was er und wie er (ohne Google & Co) alles recherschiert und fantasiert hat. Ein Hoch auf die Phantasie eben 🙂

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  1. Interessant, deine Filmkritik!

    Mein Vater liiiebte die Musik von Martin Böttcher, der die schmalzigen Buchvorlagen von Karl May noch schmalziger vertonte…

    Und wer könnte Pierre Brice und Lex Barker je das Wasser reichen? Niemand!
    Kult ist eben Kult, egal wie viel Kitsch da von der Leinwand trieft, oder aus dem Fernseher tropft…

    Liebe Morgengrüße vom Lu

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    1. Yep, wie recht Du hast. Wir haben uns den Spaß (und die Erholung) erlaubt, nochmal einen der alten Winnetou-Filme hinterher zu schauen und waren überrascht, wie charmant-charismatisch Pierre & Lex auch heute noch sind 🙂
      Liebe Mittagsgrüße zurück!

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  2. Danke für die Warnung vor Zeitverschwendung, man hat ja immer zu wenig davon 😊
    Karl May fand ich als Kind auch atemberaubend, und der Reiz der Filme wuchs, je knapper das Taschengeld für den Kinobesuch war. Später im Fernsehen waren sie eher enttäuschend.
    Und jetzt ist alles nur ein Schwank aus der Jugend.

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    1. Aber immerhin ein schöner Schwank 🙂
      Ich find’s immer noch faszinierend, wie viele Generationen diese Filme geprägt haben. So wie man heutzutage bei Karneval als Harry Potter oder Vampir herumläuft, so trug man lange, lange Zeit am Liebsten „Cowboy-und-Indianer“-Outfit. Erstaunlich, was ein paar Bücher alles leisten. Liebe Grüße!

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      1. Noch heute verkleiden sich Mädchen im Karneval nicht nur als Prinzessin, es gibt immer noch die Indianerin. Und der Cowboy bei den Jungs hat bestimmt auch in irgendwelchen Indianerfilmen seinen Ursprung.

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  3. Oh – Mutig – mich hat die Vorankündigung im TV schon abgeschreckt. Aber die hattest Du ja nicht gesehen. Es gibt einfach Verfilmungen, da sollten keine Neuauflagen erfolgen. Das trübt immer so die Erinnerungen…:-/

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    1. Wie sehr Du recht hast. Wobei ich mich mittlerweile frage, was denn noch NICHT neuverfilmt wurde. Manchmal denke ich, dass die Filmindustrie zur Hälfte Fortsetzungen, zur andern Hälfte Remakes rausbringt. Und sonst nix mehr …

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  4. es gibt sogar die Bücher zu der RTL-Verfilmung. Ich habe früher sehr viel Karl May gelesen – und ich mochte die 60iger Verfilmungen auch nicht. Zu ungenau etc… Hach, Karl May da war ich genau so narrisch, wie jetzt nach dem Lied von Eis und Feuer

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    1. Bücher zu dieser Verfilmung????? Unfassbar. Auf das „Lied von Eis und Feuer“ freue ich mich schon, hört man ja eigentlich nut gutes von. Aber bevor ich anfange zu lesen, warte ich, bis der heilige Martin fertig ist mit schreiben – habe keine Lust auf jahrelange Lektürepausen …
      Schöne Wochenendgrüße!!

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  5. Es gibt nicht nur Fortsetzungen und Remakes – auch Prequels in der Filmindustrie … Warum wundert es mich nicht, wenn Du RTLs Dunghaufen so beschreibst: „Aber ach, was habe ich mich über diese Trilogie geärgert.“ Wäre Karl May Maler gewesen, hätten wir sicher schönere Bilder überliefert bekommen … 😉

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  6. Ja, wirklich empfehlen kann ich die Filme halt leider nicht. War zwar auch nicht der totale Reinfall, aber Spaß hat die Sichtung nicht wirklich gemacht. Liebe Grüße!

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