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Gillroy schien selbst an einem Spieß über dem Feuer zu hängen, so rot und heiß war seine Haut. Dicke Schweißtropfen liefen über seinen Körper, die Lippen und Nägel hatten sich in grelles Blau geschminkt, und sein Atem rasselte wie eine Ankerkette durch den Mund herein und heraus.
»Josh«, flüsterte Simon. »Mach‘ keinen Scheiß.«
Als hätte Gillroy nur auf die Worte gewartet, hoben sich die Augenlider. Lange starrte er Simon an, hustete in die Faust und betrachtete den blutigen Schaum. »Schöne Sauerei, was, Segur?« Keuchend rappelte Joshua sich hoch. Auch er sprach leise.
Zu leise.
»Kein Duell, kein Kampf«, keuchte Joshua Gillroy. »Kein edler Abgang. Einfach nur ein beschissener Husten.«
Simon drückte seinen Arm und schüttelte nur den Kopf.
Mit aufgeplatzten Lippen grinste Joshua ihn an. »Doch, doch, alter Freund. Ich spür’s in der Brust, fühl’s zwischen den Rippen gluckern. Jetzt schafft mich das Wasser doch noch, genau wie Mike und Theo. Ha!« Die Ankerkette seines Atems rasselte erneut, zitternd zeigte seine Hand auf eine verbeulte Feldflasche. Simon reichte sie ihm.
»Eine scheiß Lungenentzündung«, flüsterte Joshua und trank unter Schmerzen. »Ich hätte einen besseren Tod verdient, findest du nicht?«
»Josh, ich …«
»Ach, halt die Schnauze, Simon. Hab‘ ich Recht oder nicht?«
Simon schwieg. Nickte dann. »Dreimal Aye, Kap’tai. Du hättest einen besseren Tod verdient.«
»Na, das ist der Segur, den ich kenne und liebe. Weißt du, die meisten dachten immer, du wärst eine kalte Hundeschnauze. Grauauge Segur, der Mârin ohne Herz. Ha.« Wieder lachte er leise, lachte das Krächzen einer Krähe. »Aber ich weiß es besser. Du hast mehr Gefühl als die meisten, hast es nur unter den Sohlen deiner harten Stiefel versteckt. Alter Freund, mir konntest du nie was vormachen.« Joshua verstummte, zwang noch einen Schluck Wasser in seine Kehle hinein. In der Stille der Nacht hörte Simon nur das Flirren des Kerzendochts, vom Zelt nebenan den gleichmäßigen Schlaf Lorielles und das japsende Atemholen von Josh.
»Aber egal.« Die Flasche rutschte aus Gillroys Hand, ein Schwall Wasser troff über den Zeltboden. Simon ließ sie gluckern.
»Egal.« Gillroys Worte kamen stockend. »Weißt du noch, wie Gustav-Otto-Tango-Tango uns beide Kielholen ließ? Mann, das war so ziemlich das Härteste … an das ich mich erinnere.« Wieder ein Husten. »Egal. Hör mir zu, Simon. Simon?«
»Ja, Josh. Ich hör dich.«
»Weißt du noch, Simon? Ein jeder weckt den Nebenmann, der Letzte stößt sich selber an. Hör mir doch zu, du hast nie zugehört, Simon. Denk verdammt noch mal an das TEAM – versprichst du mir das?«
»Ja.« Simon rieb sich das Gesicht. Die Seilverletzung an seiner Wange juckte und brannte. Oder waren es doch seine Augen, die tränten?
»Alleine«, keuchte Joshua, »schaffst du es nicht, Segur. Die Welt kann eine Hand nur mit allen fünf Fingern halten. Ruhe im Schiff, alle Lichter, Lampen und Lunten aus. Fünf, hörst du?«
»Ja. Ja doch!« Simon beugte sich vor. Schaute Joshua in die Augen, schaute tief. Erkannte Angst und Qual, aber auch ein trotziges Funkeln. Joshua hob seinen zitternden Arm, die Finger mit den blau angelaufenen Nägeln und wischte über Simons Wangen. Schaute die einzelne Träne lange an und lächelte. »Männer, Geheule einstellen, Rock ausziehen, Zöpfe abschneiden. Weißt du noch, Simon?«
»Ich weiß es noch, Josh.«
»Such dir …« Abermals ein Husten, ein Gurgeln. »Eine gute Mannschaft. Und tritt der Gorgone in den Arsch, ja? Mach die Medusa fertig, Simon. Tu’s für mich.«
Joshua Gillroy schnappte ein letztes Mal nach Luft, aber seine Lunge war wohl schon voll – mit Wasser und Schleim und Blut. Es dauerte nicht lange, bis er erstickte, aber die Zeit, das wusste Simon, dreimal Aye, Kap’tai, hüpfte und sprang wie es ihr gefiel.
Der Tod, dachte er, setzt eine weitere Linie auf die Strichliste Simon Segurs.
Endlich. Zweimal endlich! Endlich zum einen, weil noch am Wochenende daran dachte, wann geht es hier weiter, es juckte und rannte den Rücken rauf und runter – ich will mehr! Endlich zum zweiten, weil ich gestern hier gesehen habe, dass es etwas Neues gibt, aber verflixt, da war zu viel Arbeit, Krempel, der sich „wichtig“ nennt, der mich hinderte, es zu lesen.Joshua findet in diesem Kapitel seinen Tod. (Drittes endlich …) Ich bin mal etwas kritisch. Ich weiß ja nicht, welche von Joshs Weisheiten für den Roman wichtig sind, aber man hätte dieses Kapitel überspringen können und zu Beginn des nächsten einfach schreiben könnnen: Simon und Lorielle standen an seinem frisch gebuddeltem Grab. Er starb in der Nacht an Lungenentzündung. Klar, möge das der Autor selbst enttscheiden, bin jetzt gespannt, wie die Frau um die Ecke gebracht wird. 😉 Übrigens, so habe ich es einfach wahrgenommen, und ob es der Aufenthalt an Land ist oder die Todesnähe bei Josh stellten sich immer mehr Erinnerungen an früher ein. Interessant.
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Wie stets mein herzliches Danke für Deinen spannenden und hilfreichen Kommentar. Warum Johs Sterbeszene wichtig ist, wird (hoffentlich) sehr schnell klar werden – ich bin schon gespannt ob Du das dann nachvollziehen kannst.
Davon abgesehen werde ich sicher ohnehin noch ziemlich kürzen. Da „Elmsfeuer“ aber ein Work in progress ist, findet halt auch einiges hier Platz, das später wegfällt. Ist für mich eine völlig neue Erfahrung, hat aber den Vorteil, so kluge Hinweise und Kommentare wie von Dir zu bekommen 🙂
Herzliche Grüße!
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Ja, für mich auch. Also eine neue Erfahrung. Also einem anderem Autor beim Schreiben zusehen. Und dann pass auf, wenn es einem Lektor in die Hände fällt … 😉 Und diese Story hat ja durchaus Potential, und einige sind Fans damit schon gewonnen. Übrig bleibt leider nur die Frage, solltest Du es veröffentlichen, als Print oder als E-Book, gewinnst Du dann noch neue, zahlende Fans? Shit! Warum kann ich nicht die Klappe halten? Das könnte ja auch als Demoralisierung aufgefasst werden. Dabei erwog ich lediglich die wirtschaftliche Weiterverwendung. Sorry.
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Kein Problem 🙂 Werde es natürlich sowohl als E-Book wie als Print raushauen – und sehen, ob Kohle über die Folgebände reinkommt. Auch das ist ja nur ein testend-tastender Versuch. Mal sehen …
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