Göttliche Inspiration beim Schreiben – wie schön wär das!

Ihr kennt ja wahrscheinlich alle dieses fast magische Gefühl, wenn der Tipp-Motor warm gelaufen ist und schnurrt, wenn die Finger über die Tasten huschen, das gedämpfte Senken der kleinen Buchstabenquadrate klackert und zu einem Wellenmurmeln wird, wenn die Finger schneller als die Gedanken scheinen und der Schreibfluss – der Flow – einsetzt und uns trägt. So als wenn ein Schalter im Gehirn umgelegt wird und der Intuition freien Lauf lässt – ohne den Kritiker in unserem Kopf, ohne all die Zweifel und Ängste.

In solchen Momenten glaube ich tatsächlich fast an göttliche Inspiration, an diesen alten Topos aus einer Zeit, als man Künstler noch mit Genies gleichsetzte, die von der Muse geküsst die Quellen des Universums anzapften, die gelenkt, geführt und gehalten wurden. Hat man einmal die Erfahrung des Flows gemacht, sehnt man sich danach wie nach jeder anderen Droge auch. Und glaubt vielleicht wirklich an eine mystische Dimension des Schreibens.

Als Visualisierung für diesen Zustand drängen sich mir immer wieder die vier Evangelisten auf, wie sie da sitzen mit ihren jeweiligen Symbolen – Adler, Stier, Löwe und Engel/Mensch – und drauflosschreiben. Ich kann mich kaum sattsehen an den Darstellungen dieser vier frühen „Kollegen“. Was mich besonders fasziniert: Hier werden – sieht man von ägyptischen Schreibern oder ähnlichem ab – zum ersten Mal Menschen dargestellt, die literarisch tätig sind. Also nicht nur eine Büste des Homer, sondern wirklich die Abbildung jener Tätigkeit, der wir unser Leben widmen. Sie schreiben. Sie schreiben ein Buch.

Diesen Sommer besuchten wir einige süddeutsche Kirchen – und wie so oft blieb mein Blick und der meiner Kamera an diesen „Schriftstellern“ hängen. Hier ein romanisches Beispiel aus dem Münster St. Maria und Markus auf der Insel Reichnau: lukas_reichenauEs prangt auf einem frühmittelalterlichen Reliquienschrein und zeigt – am Stier erkennbar – den Evangelisten Lukas. Die ersten beiden Buchstaben seines Namens hat er schon aufgeschrieben, in der linken Hand hält er ein Messer, um seine Feder anzuspitzen. Ist seine Konzentration nicht großartig wiedergegeben? Tief vornübergebeugt, der Blick starr auf den Text?

Ein paar hundert Jahre später, genauer gesagt 1508, sieht das auf dem Schwabacher Altar schon so aus: markus_reichenau

Diesmal ist Markus abgebildet, sein Schreibgerät haben die Holzwürmer gefressen. Die Beziehung zu seinem Symbol ist wesentlich näher gestaltet: Der Löwe hält ihm das Buch hin, in seiner freundlichen Miene scheint mir ein Hauch von Strenge zu liegen. Ob er prüft, dass Markus auch alles richtig aufschreibt?

Göttliche Inspiration – ach, wie schön wäre das. Obwohl – und das ist wohl ein Teufelchen, das mir diese Worte in den Kopf flüstert – es natürlich meine Worte sein sollen, meine Geschichte, meine Phantasie, die aufgeschrieben wird. Ein bloßes Werkzeug, ein unkreatives Sprachrohr, will ich ja auch nicht sein …

pere-igor_franz-von-sales-dordogne
Quelle: Père Igor via Wikipedia

Der Schutzheilige für uns SchriftstellerInnen ist übrigens der französische Bischof Franz von Sales. Der 1622 in Genf gestorbene Geistliche nutzte als einer der ersten Flugblätter, um Calvinisten zu bekehren – aus diesem Grund ernannte Papst Pius XI. den Mann 1923 zum Patron für Schriftsteller und Journalisten.

In diesem Sinne: Möge Euch dieser heilige Franz hüten und beschützen, möge Euch die göttliche Inspiration anhauchen und tragen – woher sie auch komme!

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5 Gedanken zu “Göttliche Inspiration beim Schreiben – wie schön wär das!

  1. Der arme Lukas sieht mir eher so aus, als ob er seinen Namen nicht würde fertigschreiben können, weil er vorher von einem Bandscheibenvorfall ausgeknockt wird.

    Auch wenn ich es nicht mit der katholischen Kirche halte, so nehme ich, ganz wie du schreibst, die Inspiration gerne entgegen :-).

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  2. 🙂
    Und ja, mit der Kirche hat das alles am wenigstens zu tun. Ich finde es nur so spannend, dass die ersten beim Schreiben dargestellten Autoren eben diese vier sind. Hieronymus wird ja auch gern am Tisch gezeigt – aber der hat ja „nur“ übersetzt …

    Gefällt 1 Person

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