Weil heute die Sonne lacht, das Thermometer über die 30-Grad-Marke schlappt, der Himmel blau und die Winde lau sind, nur rasch mein passendes Lieblingszitat von diesem grimmig lächelnden Herrn:

Marcel Duchamp lebte von 1887 bis 1963, war ein französisch-amerikanischer Künstler und für so manchen Skandal gut. Noch vor Kubismus, Dada und Surrealismus schuf er seine „Ready-Mades“: Alltagsgegenstände, die aus ihrem Zusammenhang gerissen und durch einfache Umbenennung zum Kunstwerk erklärt wurden. Bekanntestes Beispiel ist Duchamps Fountain – ein Urinal, das sich durch eine Signatur und Datierung zur künstlerischen Wasserfontäne aufschwingt:

Das Original dieses originellen Werkes ging verloren. Und man denke: Diese leibhaftig gewordene Auflehnung gegen die Kunstwelt stammt aus dem Jahre 1917!
Jetzt aber zum heutigen Zitat – Duchamp schrieb einmal folgendes:
„Ich hätte wohl gern arbeiten mögen, aber es gab da in mir einen enormen Fundus an Faulheit. Lieber lebe ich, atme ich, als dass ich arbeite.“
Eines der größten Probleme für jeden Schriftsteller – weit abseits von Schreibblockaden, Plot-Schwierigkeiten oder Figurenschwächen – ist tatsächlich ganz einfach sie, die große Trägheit, die Bequemlichkeit des Lebens, die Passivität des Alltags – kurz: die eigene Faulheit. Wir alle kennen das Aufschieben und die Flucht in Unterhaltung (welcher Form auch immer). Komischerweise ist das, was uns mit größter Lust und Freude erfüllt, nicht immer das, was wir allsogleich mit Feuereifer anpacken. Da scheint es innere Sperren zu geben, träge Massen im Kopf, die uns von der Arbeit abhalten. Ich liebe das Schreiben. Aber ich liebe auch, was weiß ich, die Beobachtung eines Sonnenaufgangs. Deshalb stehe ich trotzdem nicht jeden Tag früh auf, um mir dieses Schauspiel anzusehen. Weil ich faul bin. Und weil – gib’ es zu, Schreiber! – oft der Druck von außen fehlt. Erst wenn der Abgabetermin für ein Manuskript wieder einmal droht wie ein zorniger Gott, fange ich zwangsläufig an, die Tastatur stark zu bearbeiten.
Seltsamerweise wird zwar oft das Aufschieben, nur selten aber die Faulheit des Künstlers thematisiert. Aber nicht nur deshalb zitiere ich hier Duchamp. Sondern auch, weil er gleichsam einen Hauch von Entschuldigung zulässt: „Lieber lebe und atme ich“, schreibt er, und das kann ja unmöglich schlecht sein, das hat was von zenmäßigem In-der-Gegenwart-sein. Da wird die eigene Faulheit unter der Hand umgedeutet in ein „den kreativen Brunnen auftanken“.
Und das gefällt mir natürlich.
Wie allen Faulpelzen.
In diesem Sinne wünsche ich Euch einen guten Start in die Woche. Ich muss jetzt wieder zurück auf den Balkon …
Ich weiß nicht ob es Faulheit ist….aber sich selbst Struktur zu geben fällt mir schwer….
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Ja – wie auch immer man’s bezeichnet, die Strukturierung ist verdammet kompliziert. Ich glaube, es ist eine Mischung aus Faulheit, Ablenkung, Vermeidung und Disziplinlosigkeit. Was mir das Duchamp-Zitat aber so sympathisch macht, ist eben der positive Aspekt: Wenn ich mich schon ablenken lasse, wenn ich schon lieber Fernsehen gucke als zu arbeiten – dann bitte nicht mit schlechtem Gewissen sondern mit Freude dran 🙂
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Da ich als Hobby schreibe ist es bei mir umgkehrt: Anstatt zu putzen oder kochen schreibe ich….
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Liebe Getrud, das, ja, gefällt mir. Kreativsein als Prokrastination – das hat was 🙂
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