Passend zum ersten Blogeintrag in der Kategorie Werkzeuge für Autoren hier noch ein darauf Bezug nehmendes Schriftsteller-Zitat:
Man sollte täglich eine Weile in alten Tagebüchern lesen. Mir scheint, das würde die Tastatur der Orgel, auf die ein Schreibender zu spielen hat, erweitern.
Dieser Satz entstammt, wie sollte es anders sein, einem Tagebuch. Und zwar jenen unter dem Titel „Der Zustand meiner Welt“ veröffentlichten Tagebuchauszügen von Erwin Strittmatter.

Ich bin Strittmatter gegenüber unschlüssig, merkwürdig unentschieden. Auf der einen Seite begeisterte mich sein 1963 publizierter Roman „Ole Bienkopp“, den ich wirklich sehr gerne las, andererseits enttäuschte mich die hochgelobte und offenbar von vielen geschätzte „Laden“-Trilogie der 80er und 90er Jahre. Die empfand ich einfach, mit Verlaub, ein wenig arg langatmig. Zu viel Lesefreude, aber auch wieder teilweise genervtem Kopfschütteln, führten dann wiederum seine Tagebuchaufzeichnungen. Manch kluge, faszinierende Stelle, einiges an Selbstbeweihräucherung, spannende Sätze und poetische Beschreibungen, aber eben auch stilistisch mich störende Experimente.
Und dieser Satz über das Schreiben von Tagebüchern.
Der gefiel mir.
Interessant fand ich dabei sowohl den Tastatur-Vergleich – wir Autorinnen und Autoren haben nur einen begrenzten Vorrat an Tönen, der aber (anders als in der Musik) letztlich beliebig erweiterbar ist – als auch die Reflexion über die Veränderungen des Ichs: So wie wir beim Lesen eines anderen Autors „ … unsere Tastatur erweitern“, so erweitern wir unser sprachliches Repertoir durch die Lektüre von „alten Tagebüchern“, also uns selbst.
Interessant.
Oder nicht?